Mit Wille, Herz und Mut

J.R.R. Tolkien – Die Schlacht von Maldon und Die Heimkehr von Beorhtnoth
„Der Wille soll umso fester, das Herz umso kühner, der Mut umso größer sein, je mehr unsere Stärke schwindet“, soll ein Gefolgsmann Beorthnoths kurz vor seinem Tod in der Schlacht von Maldon gesagt haben. Die Schlacht von Maldon, bei der im 10. Jahrhundert ein Wikingerheer die Verteidiger von Essex besiegte, wird nicht nur in einem altenglischen Gedicht ausführlich besungen, sondern inspirierte J.R.R. Tolkien auch zu dem Versdrama „Die Heimkehr von Beorhtnoth Beorhthelms Sohn“. Der dramatische Dialog wird dabei durch Tolkiens Übersetzung der altenglischen Vorlage, Notizen und Essays aus dem Umfeld und eine frühe Fassung des Stücks in gereimten Versen ergänzt.

Auch wenn Beorhtnoth titelgebend für das Versdrama ist, taucht er so gut wie gar nicht auf. Zumindest nicht lebendig und nicht in einem Stück, da er in der vorangegangen Schlacht enthauptet wurde. Allerdings ist dies handlungsbestimmend für das Drama, denn Torthelm, der Sohn eines Spielmanns, und Tídwald, ein alter und gestandender Bauer werden ausgeschickt, um nach dem Leichnam ihres Herrn zu suchen. Während die beiden das Schlachtfeld absuchen, werden ihre Gespräche in Anbetracht von so viel Tod und Zerstörung immer tiefgreifender und sie diskutieren über verschiedene Weltsichten, Ideale und auch über die Bedeutung von Heldentum und Macht. Letzteres erinnert ein wenig an den Ausspruch und die Erkenntnis Thorin Eichenschilds am Ende von „Der Hobbit“, als er zu Bilbo sagt: „Gäbe es solche nur mehr, die ein gutes Essen, einen Scherz und ein Lied höher achten als gehortetes Gold, so wäre die Welt glücklicher.“
In Anbetracht der zahlreichen Toten und der sicheren Endlichkeit des Lebens, aber auch durch die Erkenntnisse, die er im Gespräch mit Tídwald gewinnt, verliert Torthelm einiges seiner jugendlichen Unbeschwertheit. Diese Wandlung wird durch die von Tolkien gewählte Dialogstruktur sehr deutlich.

„Die Schlacht von Maldon und die Heimkehr von Beorthnoth“ ist das erste posthum erschienene Werk Tolkiens, das nicht von seinem Sohn Christopher Tolkien († 2020) , sondern von Peter Grybauskas, einem amerikanischen Wissenschaftler, der zur Literatur Tolkiens forscht, herausgegeben wurde. Die deutsche Übersetzung von Helmut W. Pesch, stellt den englischen Originaltext der Übersetzung gegenüber, wodurch deutlich wird, wie nahe sich die Übertragung inhaltlich und metrisch am Original orientiert. Hinzu kommen Anhänge und Erläuterungen (bspw. zur Tradition der Versbildung im Altenglischen oder auch zum Stabreim), durch die das Textverständnis noch einmal vertieft wird. Dadurch liest sich das Versdrama allerdings eher wissenschaftlich, wobei sich der Text inhaltlich mit verschiedenen Lebensfragen auseinandersetzt, von denen einige heute immer noch aktuell scheinen.

J.R.R. Tolkien: Die Schlacht von Maldon und Die Heimkehr von Beorhtnoth (Hrsg. Peter Grybauskas; Übersetzung von Helmut W. Pesch), 304 Seiten, Hobbit Presse, 2024
ISBN 978-3-608-98769-0 (Buch)
26 Euro

ISBN 978-3-608-12294-7 (e-Book)
20,99 Euro

Das Buch wurde mir von der Hobbit Presse zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!

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