Die Spielchen der Götter und Feen

Alexis Hall – Mortal Follies

Kleider lösen sich nicht einfach so in Luft auf! Einfach so vielleicht nicht, aber dass sie sich offenbar doch in Luft auflösen können, muss Miss Mitchelmore am eigenen Leib erfahren. Wobei sie ihren Zustand elegant mit unterbekleidet umschreibt. Aber ob un- oder unterbekleidet: Dank Lady Georgiana, die von allen nur der Duke of Annadale genannt wird, entkommt sie haarscharf einem Skandal. Auf der Suche nach dem Grund für die plötzliche Nichtexistenz ihres Kleides, kommt Miss Mitchelmore einem Fluch auf die Spur – und dem Verdacht, dass Lady Georgiana vielleicht etwas damit zu tun haben könnte. Schließlich behaupten die Gerüchte, dass die Lady eine Hexe sei. Allerdings wäre eine Hexe im Vergleich zu den alten Göttern noch harmlos.

Es ist schon schwer in der adeligen Gesellschaft. Auf der einen Seite sind Anstand und Etikette überaus wichtig, auf der anderen Seite sind Klatsch und Tratsch die liebsten Wegbegleiter der feinen Damen und Herren. Kein Wunder, dass dieses Spannungsfeld einen Hofnarr aus dem Feenreich anzieht.

Erzähler Puck kennt man bereits als Unruhestifter und Oberons Hofnarr aus Shakespeares “Ein Sommernachtstraum”, wozu er den guten William nach eigener Aussage schließlich inspiriert hat. Seit 1596 (und auch schon davor) hat er nichts anderes gemacht, als Schabernack zu treiben, wobei sich der böse und mitunter auch derbe Humor deutlich in der Sprache von “Mortal Follies” zeigt. Alexis Hall setzt seinen Ich-Erzähler mit einem sehr verschmitzt-gerissenen Augenzwinkern in Szene, dass man beim Lesen selbst unwillkürlich lächeln muss. Puck kommentiert die Ereignisse auf seine ganz eigene leicht überheblich-spöttische Art und Weise (Feenwesen eben) und man hat eher den Eindruck, man bekäme eine Anekdote erzählt. Dabei reflektiert Puck sich immer wieder selber, wodurch man auf der einen Erzählebene etwas über Oberons Hofnarr erfährt und die eigentliche Geschichte rund um Miss Mitchelmore auf einer zweiten Metaebene erzählt wird. Da Puck aber durchgängig erzählt, gehen beide Ebenen laufend ineinander über.

Bereits die erste Szene, in der sich Miss Mitchelmores Kleid auf höchst mysteriöse Weise in Luft auflöst, ist voller tragischer und unfreiwilliger Komik. Dazu kommen Charaktere, die in ihren Eigenheiten so speziell sind, dass man ihre Überzeichnung sofort wahrnimmt. Aus eigener Erfahrung, weiß ich, wie viel Spaß es macht, humorvolle Texte zu übersetzen, gleichzeitig ist es aber auch eine Herausforderung den Witz dabei zu erhalten. Karen Gerwig ist genau dies wirklich sehr gelungen. Hinzu kommt eine spannende Handlung, die nur scheinbar oberflächlich ist und auf den zweiten Blick Tiefgang und Kritik zu bieten hat.

“Mortal Follies” wird seinem Titel, der sich wörtlich mit “Tödliche Torheiten” übersetzen lässt, mehr als nur gerecht. Ich hatte bislang noch keine von Alexis Halls Geschichten gelesen, allerdings weiß ich jetzt, was gemeint ist, wenn vom wunderbaren und komischen Humor des Autors die Rede ist.

Alexis Hall: Mortal Follies (Übersetzung von Karen Gerwig), 480 Seiten, Piper Verlag, 2024

ISBN 978-3-492-70678-0 (Klappenbroschur), 18 Euro

ISBN 978-3-492-60798-8 (eBook), 14,99 Euro

Das Buch wurde mir durch Netgalley vom Piper Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!

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